16.02.2021 Von Marzahn-Hellersdorf bis nach Hanau: Den Kontinuitäten des rechten Terrors entgegentreten!

Berlin, der 16.02.2021                                  

Pressemitteilung des Bündnisses für Demokratie und Toleranz

Von Marzahn-Hellersdorf bis nach Hanau: Den Kontinuitäten des rechten Terrors entgegentreten!

Das Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf gedenkt der Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau vor genau einem Jahr: Am 19. Februar 2020 verloren Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu bei einem rassistischen Anschlag in zwei Hanauer Shishabars ihr Leben. Ihnen und anderen Opfern rassistischer Gewalt – auch in Marzahn-Hellersdorf – wollen wir zum Jahrestag der Morde, am Freitag den 19. Februar 2021, gedenken.

Nicht nur der Rassismus des Mörders, sondern auch verschiedene Pannen und Fehler bei der Polizei und anderen Behörden trugen zu diesem Unglück bei. Vieles davon bleibt bis heute unaufgeklärt.

Die Morde geschahen vor dem Hintergrund einer medialen und politischen Hetzkampagne, die seit mehreren Jahren gegen Shishabars geführt wird. Im Rahmen der rassistischen Clandebatte wurden sie auch in Berlin wiederholt als gefährliche Orte markiert und stigmatisiert. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass gesellschaftliche Debatten ohne Hass und rassistischer Hetze geführt werden – denn aus vergifteten Worten und Rassismus wurden in Deutschland schon viel zu oft auch rassistische Taten!

Gedenkorte sind in Berlin im Rahmen des bundesweiten Gedenkens unter dem Motto „Hanau ist überall!“  am 19.02. ab 16 Uhr, der Leopoldplatz im Wedding, der Rathausplatz in Neukölln und der Oranienplatz in Kreuzberg.

Mehr Informationen zu den berlinweiten Gedenkveranstaltungen finden Sie hier.

Von Marzahn-Hellersdorf bis nach Hanau: Kontinuitäten des rechten Terrors

Auch in Marzahn-Hellersdorf gab es seit dem Mauerfall mehrere rassistisch, sozialdarwinistisch bzw. rechtsterroristisch motivierte Morde und Mordversuche – Hanau ist überall –. Es ist uns wichtig, auch an diese Fälle hier im Bezirk zu erinnern. Der versuchte Mord des Neonazis Kay Diesner am linken Buchhändler Klaus Baltruschat (19.2.1997) in Marzahn fällt zudem auf den Jahrestag der rassistischen Morde in Hanau. In diesem Fall gibt es rechtsterroristische Verbindungslinien vom Fall Diesner bis in die Jetztzeit (Stichwort: Neonazi Peter Binder) und auch die zahlreichen Waffenfunde in der extrem rechten Szene in Deutschland im Jahr 2020 (Quellen: 1, 2) haben erneut auf eindringliche Art und Weise aufgezeigt, welch große Gefahren weiterhin von rechtsterroristischen Strukturen und deren Netzwerken ausgehen.

Wir gedenken an dieser Stelle deshalb auch den folgenden Fällen in (bzw. mit Bezug auf) Marzahn-Hellersdorf:

  • 24.4.1992: Nguyễn Văn Tú wird in Marzahn vor einem Einkaufszentrum von einem DVU-Sympathisanten erstochen. Informationen rund um den rassistisch motivierten Mord gibt es hier.
  • 19.2.1997: Früh morgens ging der Neonazi Kay Diesner mit einer Pumpgun bewaffnet zur Bezirksgeschäftsstelle der PDS in Marzahn. In dem Haus befand sich auch das Büro von Gregor Gysi. Im Parterre befand sich die Buchhandlung des damals 63-jährigen Klaus Baltruschat aus Berlin-Marzahn. Diesner schoss auf ihn und verletzte ihn schwer. Baltruschat musste der linke Unterarm amputiert werden. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kay_Diesner)
  • 23.2.1997: Auf seiner Flucht geriet der Neonazi Kay Diesner in eine Polizeikontrolle auf dem Parkplatz Roseburg an der A 24 im Kreis Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein. Hier kam es zu einem Feuergefecht, in dessen Verlauf Diesner den 34-jährigen Polizeiobermeister Stefan Grage tödlich und einen weiteren Beamten schwer verletzte. Im weiteren Ablauf feuerte Diesner auf zwei weitere Polizeibeamte und konnte, selbst durch ein Projektil getroffen, festgenommen werden. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kay_Diesner)
  • 5.11.2001: Ingo Binsch verstarb an einem Herzanfall, nachdem er stundenlang von drei Rechten misshandelt wurde. Mehr Informationen finden sich beim Tagesspiegel.
  • 6.8.2008: Nguyen Tan Dung wurde aus vermutlich rassistischen Gründen in Hellersdorf erstochen. Mehr Hintergrundinformationen zu diesem Fall finden sich hier.

Wir Gedenken aller Todesopfer rassistischer, rechtsterroristisch motivierter Gewalt – egal ob in Hanau, Marzahn-Hellersdorf oder anderswo!

Henny Engels und Steven Kelz im Namen des Bündnisses für Demokratie und Toleranz am Ort der Vielfalt Marzahn-Hellersdorf

Für weitere Informationen steht die Geschäftsführung des Bündnisses (c/o Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung Marzahn-Hellersdorf) zur Verfügung.

Initiative 19.Februar Hanau: https://19feb-hanau.org/

Dokuempfehlung zum Jahretag von Hanau:

Hanau – Eine Nacht und ihre Folgen (19.02.2021 ∙ Doku & Reportage ∙ hr-fernsehen)

Leseempfehlung:

Say Their Names – Gemeinsam gegen das Vergessen (19.02.2021 | AK gegen rechte Gewalt, BIPoC-Referat, EmpA – Antirassismus und Empowerment an der ASH Berlin, Frauen*büro)

Von Marzahn-Hellersdorf bis nach Hanau: Den Kontinuitäten des rechten Terrors entgegentreten!