5.05.2021 Subbotnik – Solidarisches Platte-Saubermachen (Marzahn-Sonderfolge)
„Spring Clean, we say“, erklärt uns ein in London und Dresden sozialisierter Hellersdorfer, als wir ihn beim „Subbotnik“ in Marzahn-Hellersdorf treffen. Er beteiligt sich an einer Frühjahrsputzaktion, die Bürger:innen organisiert haben, die sich gegen Rassismus und in der Initiative „solidarische Kieze“ engagieren.
Wir gehen noch einmal nach Marzahn-Hellersdorf, um die Tradition des Subbotnik kennenzulernen, die bei vielen Ostdeutschen tief in ihre DDR-Erinnerungen eingewoben ist.
Subbotnik hieß: an einem Samstag etwas für das Gemeinwesen zu tun. Insbesondere im Frühjahr werkelte man meist freiwillig, um die Wohnumgebung, den Betrieb, Sportanlagen, Kleingartenanlagen, Schulen usw. aufzuhübschen. Müll wurde beseitigt, Blumen wurden gepflanzt, Wege angelegt, Fassaden gestrichen und Klubräume renoviert. Die Staatsführung war dankbar für unentgeltlich erbrachte Leistungen, die das Wirtschaftssystem nicht ausreichend in der Lage war zu erbringen. Nach der Wende brach diese Praxis vielfach ab – hier schließt sich der Kreis zur ersten Marzahn-Folge.
Der Ursprung des Subbotniks ist ambivalent. 1919 rief Lenin die Bevölkerung zum freiwilligen Aufbau des vom Bürgerkrieg zerstörten Russlands auf. Freiwillig war das nicht immer. In der Stalin-Zeit wurden Massenarbeitseinsätze nicht selten in Zwangsarbeit geleistet. Nach 1945 war die Bevölkerung in Ostdeutschland aufgerufen durch „Aufbaustunden“ mitzuhelfen, die Kriegszerstörungen zu beseitigen, neue Häuser und Infrastruktur aufzubauen.
In dieser besonderen Folge kommen die Subbotniker:innen von heute zu Wort – nicht nur Menschen mit ostdeutschen Biografien. Zu hören ist auch ein Subbotniker, der aus Afghanistan fliehen musste. Wir sprechen eine Hellersdorfer Cricketspielerin, die von Frühjahrsputz-Aktionen in Frankreich berichtet. Eine Hamburgerin und ein Hesse berichten von ähnlichen Traditionen in Westdeutschland. Deutlich werden die demokratischen Geländegewinne gemeinschaftlich engagierter Nachbarschaften, wenn sie nicht – wie nach 1990 geschehen – durch Immobilieneigentumsstrukturen ausgebremst werden.
Begleitet uns auf unseren Tiefgang durch Gärten, Spielplätze und Sportanlagen.
Zu hören u.a. hier.
Kapitel:
- Vorspann 0:00
- Intro: Wieder Marzahn! Sonderfolge 1:04
- Subbotnik gegen Rassismus 2:16
- Ursprung des Wortes Subbotnik 4:03
- Oktoberrevolution und Russischer Bürgerkrieg 5:35
- Aufbau der Sowjetunion: Eisenbahn zwischen Moskau und Kasan 7:46
- Subbotnik unter Stalin 9:07
- Nationaler Wiederaufbau in der DDR (und BRD) 9:36
- Ehrenamtliche Gemeinwesenarbeit in der DDR seit den 60ern 13:42
- Schöner unsere Städte und Dörfer (in Ost und West) 15:05
- Hausgemeinschaften und Subbotnik 18:49
- Subbotnik nach der Wende? 19:33
- Solidarische Kieze gegen Rassismus auf „Ostdeutsch“ 22:12
- Interview 1: Kaffee und Kuchen und in Ordnung bringen 25:11
- Interview 2: Spring Clean und Cricket, sozialisiert in Hellersdorf 26:46
- Interview 3: Etwas für die Gesellschaft tun, wenn es möglich ist 32:25
- Interview 4: Ökologischen Konsum gab’s bevor die Marktwirtschaft kam 35:45
- Interview 5: Villes fleuris, aber durch die Leute 38:51
- Interview 6: Nachbarschaften entwickeln im Paradiesgarten 40:58
- Interview 7: Nach der Wende eher mit der eigenen Familie zu tun gehabt 45:02
- Interview 8: Neue Eigentumsverhältnisse verhinderten Engagement 47:52
- Interview 9: Nicht erst in 400 Jahren einen guten Zustand haben 53:47
- Wat ham wa heute jelernt? 57:02
- Abspann 1:00:45