24.08.2022 „Mehr Gerechtigkeit in der Demokratie wagen“

Pressemitteilung der Bürgerinitiative vom 22. August 2022 – Wir dokumentieren:

Bürgerinitiative für gerechte Demokratie durch Bürgerräte in Marzahn-Hellersdorf – Gespräche mit dem Bezirksbürgermeister Gordon Lemm

In Marzahn-Hellersdorf hat sich eine Bürgerinitiative gegründet. Sie verfolgt das Ziel, Bürgerinnen und Bürger des Bezirks sowie Politik und Verwaltung für die dauerhafte Einrichtung von gelosten Bürgerräten im Bezirk Marzahn-Hellersdorf zu gewinnen.

Diese gelosten Bürgerräte sollen in Marzahn-Hellersdorf konkret und lebensnah Problemlagen des Bezirkes und Impulse aus der Gesellschaft unter dem Motto „mehr Gerechtigkeit in der Demokratie wagen“ beraten und öffentlich machen. Bürgerinnen und Bürger des Bezirks werden mit Hilfe eines transparenten Losverfahrens ausgewählt und angefragt.

Die Bürgerinitiative ist über die Einrichtung von gelosten Bürgerräten mit dem Bezirksbürgermeister Gordon Lemm und dem Bezirksamt bereits in konstruktiven Gesprächen.

Die Bürgerräte sollen regelmäßig von der Bezirksverordnetenversammlung und dem Bezirksamt mindestens zwei Mal im Jahr einberufen werden, um konkrete Vorschläge zu kontroversen Themen im Bezirk zu erarbeiten. BVV und Bezirksamt sollen die Vorschläge des Bürgerrates verbindlich diskutieren, zu den Vorschlägen Beschlüsse fassen und diese gegenüber dem Bürgerrat ausführlich begründen. Auch zivilgesellschaftliche Akteure sollen über Ausschüsse der BVV Themenvorschläge für Bürgerräte einbringen können.

„Mit der Einführung von Bürgerräten wollen wir erreichen, dass mehr Einwohner an der Entwicklung und an Entscheidungen im Bezirk beteiligt werden. Nach meinen persönlichen Erfahrungen erlauben die bestehenden Bürgerbeteiligungsformate wegen ihrer Unverbindlichkeit kaum echte Mitbestimmung und führen häufig zu Frustration und Rückzug vieler Menschen aus politischen Prozessen. Den Trends hin zu mehr Frustration, zu Skepsis gegenüber klassischer Parteipolitik und zu wachsender Enttäuschung gegenüber der Demokratie in ihrer Realität, wollen wir durch die Einführung von Bürgerräten wirkungsvoll begegnen,“ sagt Uta Glienke, Mitbegründerin der Bürgerinitiative, Marzahner Bürgerin und vielfach ehrenamtlich Engagierte im Bezirk.

Der Sozialwissenschaftler und Historiker Raiko Hannemann, der mit Uta Glienke die Bürgerinitiative ins Leben rief und im Wissenschafts- und Demokratieverein Kliopolis e.V. engagiert ist, stimmt zu. Er forscht seit Jahren zur Demokratieentwicklung in Marzahn-Hellersdorf und in Ostdeutschland:

„Forschungen auf lokaler und bundesdeutscher Ebene zeigen auf alarmierende Weise – das
bestätigen auch meine Studien – dass insbesondere Bevölkerungsgruppen in sozial angespannten Lebensverhältnissen aus Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind. Viele Menschen beteiligen sich nicht (mehr) an der repräsentativen Demokratie, weil sie in den vergangenen Jahrzehnten – insbesondere in Ostdeutschland – häufig Ohnmachtserfahrungen machen mussten. Dies ließ Hoffnungen schwinden, dass ihre Interessen in der Politik berücksichtigt werden. Es ist verwunderlich, dass sich nach jeder Bezirkswahl die Öffentlichkeit regelmäßig über das starke Abschneiden rechtsextremer Parteien um die 20% empört, kaum aber über die Nichtwählerzahl zwischen 30 bis 40 %! Ich engagiere mich für Bürgerräte, damit die nicht zu Wort Kommenden angehört werden und auf diesem Weg mehr Gerechtigkeit in der Demokratie gewagt wird. Meine Erfahrung als ostdeutsches ‚Plattenbau-Kind‘ ist zusätzliche Motivation.“2

Die nach dem Zufallsprinzip aus dem bezirklichen Melderegister ausgelosten Ratsmitglieder
repräsentieren die Verhältnisse im Bezirk. Das Losverfahren garantiert, dass generationsübergreifend Männer und Frauen, Großsiedlung oder Siedlungsgebiet, arm oder reich, mit oder ohne Migrationshintergrund, Politikerfahrene oder -unerfahrene etc. entsprechend ihrer statistischen Verteilung im Bürgerrat vertreten sind, um sich in einer konsensorientierten Atmosphäre, frei von Parteipolitik und über Milieugrenzen hinweg zu begegnen, über ein politisches Thema zu informieren und gemeinsam Empfehlungen zu erarbeiten. Im Bürgerrat kommt die Alltagsexpertise der vielen Lebenswirklichkeiten im Bezirk zusammen, um konstruktive Lösungen zu finden und gleichzeitig Verantwortung für das demokratische Gemeinwesen zu übernehmen.

Die Bürger:inneninitiative will damit den „Marzahn-Hellersdorfer Weg“ beschreiten und die
Einrichtung und Etablierung des Beteiligungsinstruments der Bürger:innenräte in enger und
vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der organisierten Zivilgesellschaft, der Bezirkspolitik und der Bezirksverwaltung Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Marzahn-Hellersdorfer Weg kann und soll Schule machen und andere Bezirke bzw. Kommunen inspirieren, Bürger:innenräte einzuführen.

Die Bürgerinitiative können Sie per E-Mail kontaktieren unter buergerrat-mh@kliopolis.de.
Alle Informationen finden Sie auf folgender Website: www.kliopolis.de/buergerinnenraete-
mh/